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Rezension | Annette Amrhein – Ein heimlicher Weihnachtsgast

Ich weiß gar nicht, ob ich viele Worte zu diesem Cover verlieren muss. Es ist einfach wunderschön. Die Waldtiere, der winterliche Waldausschnitt, alles ist sehr liebevoll illustriert und platziert worden. Der Titel ist in moderner Aufmachung auf dem Cover abgedruckt worden, die Verschnörkelungen erinnern ein wenig an Handlettering (auch, wenn es keines ist).
Auf dem Buchrücken ist das Verlagslogo (der tolle Wal), Autoren- und Illustratorennachname, sowie der Titel in gleicher Manier wie auf dem Cover abgebildet. Außerdem – und so etwas finde ich immer ganz süß – ist der Bär, der Protagonist dieses Bilderbuches, im oberen Drittel abgebildet. Insgesamt wirkt das Bilderbuch sehr wertig.

Meine Leseeindrücke

Dies ist mein erstes Bilderbuch, welches ich im Erwachsenenalter lese und rezensiere. Aber, so viel sei vielleicht an dieser Stelle schon gesagt, es soll nicht mein Letztes sein.

Um zu erklären, wie ich auf dieses Bilderbuch aufmerksam geworden bin, muss ich ein wenig ausholen. Die Entdeckungsreise beginnt nämlich auf der Frankfurter Buchmesse 2017 (mein Beitrag dazu findest du hier). Dort schlenderte ich durch die Reihen, bin auf den Magellan Verlag mit seinem niedlichen Wal aufmerksam geworden, habe mir die Verlagsvorschau eingesteckt und sie zu Hause in aller Ruhe durchgearbeitet. Dabei bin ich u.a. über Ein heimlicher Weihnachtsgast, aber auch auf Der ausgebüxte Weihnachtsesel, den ich euch nächsten Sonntag vorstellen werde, gestolpert. Mir war sofort klar: Diese Bücher musst du haben. Also bestellte ich sie mir und was soll ich sagen? Ich wurde nicht enttäuscht.

Die Geschichte ist schnell erzählt: Der Bär ist neu in dem Wald und um sich seinen Winterschlafplatz gemütlich einzurichten, befreit er für den Winterschlaf auserwählte Höhle erst einmal von Laub. Daraufhin wird er so hungrig und durstig, dass er sich auf in den Wald macht, um etwas Essbares zu finden.
So kommt es, dass er seinen Winterschlaf verschläft und kurzerhand beschließt, in seiner Höhle Weihnachten zu feiern – mitsamt den Waldbewohnern, die er auf seinem Streifzug durch den Wald kennengelernt hat. Doch wieso sitzt der Bär an Weihnachten alleine in seiner liebevoll dekorierten Höhle und weint bitterlich?

Ich war von der ersten Seite an total verliebt in diese kleine wunderschöne Geschichte. Nicht nur, dass ich die Idee ganz schön finde, den Winterschlaf zu verschlafen – also den gewohnten Gang der Dinge zu unterbrechen – und damit etwas neues Spannendes zu erleben und damit auf Dinge aufmerksam werden, die man sonst vielleicht nie erleben würde. Mag sein, dass ich an dieser Stelle zu viel interpretiere, aber ich finde es irgendwie schön, so etwas – auch, wenn es Kleinkinder sicher noch nicht verstehen werden – bereits in Bilderbüchern vorzufinden (oder hineininterpretieren zu können).

Was mich aber am meisten faszinierte, war die Tatsache, wie in diesem Bilderbuch mit Vorurteilen umgegangen wird. Der Grund, weshalb der Bär an Weihnachten nämlich zunächst alleine an seiner gedeckten Tafel sitzt, ist, dass die Waldbewohner noch nie zuvor einen Bären gesehen haben (wie auch, normalerweise hält er ja Winterschlaf) und damit nicht wissen, ob er gefährlich oder friedlich ist.

So interpretieren sie ihn anhand seines Verhaltens – Das Blätterfegen wurde als verjagen missinterpretiert, durch das Trinken aus dem Fluss fühlte sich der Biber verängstigt, der Specht fühlte sich gejagt, obwohl der Bär doch nur ein wenig Honig essen wollte – und machten sich dadurch ein komplett falsches Bild von ihm.
Dieses Bilderbuch zeigt dem Leser, dass man nicht vorschnell urteilen und alles Fremde sogleich als potentielle Gefahr – ja, als etwas Befremdliches – deuten solle. Wenn man die Absichten des Gegenübers nicht kennt, soll man nicht (vorschnell) urteilen. Kein Schubladendenken! Das ist wirklich sehr schön.

Der Bär schnitzt liebevoll Weihnachtsfiguren aus Holz, um damit seine Höhle zu dekorieren. Schließlich zieht er noch einmal in den Wald und fällt einen Weihnachtsbaum für seine Höhle. Was er dabei nicht bemerkt, in diesem Baum sitzt ein Eichhörnchen, das ihm schlussendlich das Weihnachtsfest rettet.
Denn es sieht, wie traurig der Bär an Weihnachten an der festlich gedeckten Tafel sitzt, weint und nicht verstehen kann, wieso niemand mit ihm Weihnachten feiern möchte, er habe den Waldbewohnern doch nichts getan – im Gegenteil: Er hat festlich dekoriert und im ganzen Wald sogar Einladungskarten verteilt.
Da hüpft das Eichhörnchen aus dem Baum hervor, es fühlt sich schlecht, weil es bemerkt, dass es vorschnell geurteilt hat und der Bär ja tatsächlich nichts Böses im Schilde führt. Es gesellt sich zu ihm, feiert mit ihm zusammen Weihnachten und von dem Lachen der beiden werden die anderen Waldbewohner angelockt, sodass sie schlussendlich alle gemeinsam an der Tafel sitzen und Weihnachten feiern – und alle Vorurteile über Bord geworden haben.

Schlussbetrachtung

Dieses Bilderbuch bekommt eine klare Leseempfehlung von mir. Die Illustrationen von Sabine Straub in diesem Bilderbuch sind wirklich wunderschön, mit viel Liebe zum Detail. Ich habe die Doppelseiten wirklich sehr lange genau betrachtet und bei jedem erneuten Durchblättern dennoch immer noch neue Details entdeckt, die mir sehr gefielen und die perfekt zu dem Bilderbuch passen. Die liebevolle Auswahl der Motive ist brillant.
Die Idee dieses Kinderbuches gefällt mir ebenfalls sehr gut und finde ich auch wirklich hervorragend umgesetzt. Ein Bär, der zu Weihnachten, dem Fest der Liebe, mit Vorurteilen zu kämpfen hat, die im Laufe der kurzen Geschichte überwunden werden und es damit schlussendlich schafft, alle Waldbewohner – gleichgültig wie verschieden sie sind – an seiner weihnachtlich gedeckten Tafel zu versammeln.

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